04.11.2016  |  4 MINUTEN LESEZEIT

Medizin in Riga und Leipzig – Eine Ortswechslerin (früher: Quereinsteigerin) im Interview

Verfasst von Kai Först

Luisa Krahnen ist für ihr Medizinstudium nach Riga gegangen. Zum 5. Semester konnte sie unabhängig von ihrem Abiturschnitt durch eine Bewerbung in ein höheres Fachsemester an die Uni Leipzig wechseln. Bewerbungsrenner hat damals ihre Bewerbungen zum höheren Fachsemester für sie erledigt. Wie blickt sie heute auf diesen Weg zurück?

Luisa Krahnen

Luisa Krahnen

Wie bist du darauf gekommen, in Riga Medizin zu studieren?

Mit meinem Abischnitt hätte ich es gar nicht erst versuchen müssen, mich in Deutschland zu bewerben. Ein Freund hatte die Idee mit Riga und wir haben uns dann beide beworben. Witzigerweise ist der jetzt auch mit mir in Leipzig.

Wie zufrieden warst du mit der Uni dort?

Der Unterricht ist ganz gut, aber auch sehr verschult. Es gibt Anwesenheitspflicht und viele Prüfungen. Immerhin hat man einen Studienplatz, der in Deutschland anerkannt wird. Dafür, dass man pro Jahr etwa 10 000 Euro zahlt, bietet die Uni aber recht wenig. 

Wie war es für dich, auf Englisch zu studieren?

Ich habe mein Abi in Kanada gemacht, insofern war mir das ganz lieb. Ich hatte mich auf ein internationales Umfeld gefreut, aber wir waren fast nur Deutsche, das fand ich traurig. Außerhalb des Unterrichts haben wir fast nur Deutsch geredet. Die Studiengänge der Letten und Deutschen sind strikt getrennt. Man hat nichts miteinander zu tun.

Hast du Lettisch gelernt?

Die ersten drei Semester haben wir alle einen verpflichtenden Lettischkurs gemacht, aber niemand hat sich besonders Mühe gegeben. Da ohnehin so wenig Kontakt zu Letten bestand, war die Motivation nicht so groß. In meinem Jahrgang haben dann alle Russisch gelernt, weil das in Lettland fast jeder versteht und die Sprache auch für später nützlich sein kann.

Aus welchen Gründen bist du wieder zurückgekommen?

Das war immer der Plan, weil man in Riga nur sechs Jahre an der Uni ist, während man in Deutschland nach fünf Jahren ein Praktisches Jahr hat. Mir ist das Praktische Jahr sehr wichtig. Das hätte ich von Riga aus nicht machen können. Außerdem kommt ein deutscher Abschluss besser an. Ich bin froh, nach zweieinhalb Jahren wieder in Deutschland zu sein.

Was nimmst du aus Deiner Zeit im Ausland mit?

Lettland ist ein schönes Land und Riga eine schöne Studentenstadt. Das Leben dort fand ich mit der Zeit aber eher anstrengend. Im Allgemeinen wird wenig gelächelt und sich wenig in die Augen gesehen. Diese Verschlossenheit hat mir nicht so besonders gefallen.

Wie war der Neuanfang an der Uni Leipzig?

Ganz anders. Das Studium in Riga war sehr schulisch. In Leipzig hatte ich dann vielmehr das Gefühl, an einer Uni zu sein. Das heißt aber auch, dass man komplett auf sich allein gestellt ist. Für Quereinsteiger gibt es keine Einführung, wie im ersten Semester. Und leider auch keinen Leitfaden, der einem den Einstieg erleichtert. Es wäre ein guter Zug von der Uni Leipzig, wenn sie ihren Quereinsteigern mal auf einem Blatt Papier zusammenfassen könnte, wo man überall hinmuss und was man alles machen muss. Was man dabei immerhin lernt, ist Selbstständigkeit und Selbstorganisation. Man braucht allein zwei Tage um den Stundenplan zu entschlüsseln. Man muss sich seine Zeit genau einteilen und entscheiden, wann man was lernt. Insgesamt muss ich in Leipzig vielmehr lernen als in Riga. Das hängt auch mit der Umstellung auf Multiple Choice zusammen. Das kannte ich aus Riga weniger.

Hattest du fachliche Lücken bzw. Vorsprünge?

Lücken hatte ich in Biochemie, worauf in Riga wenig Wert gelegt wurde. Dafür weiß ich in Pathologie und Histologie um einiges mehr. Wir haben mehr Erfahrung im Umgang mit Patienten. Wegen der kleinen Unterrichtsgruppen in Riga, sind wir es gewohnt, mit den Dozenten zu diskutieren und aktiv im Unterricht mitzumachen. Die Dozenten in Leipzig freuen sich über Studenten, die richtig mitmachen, anstatt nur still dazusitzen und Notizen zu machen.

Wie war es für dich, auf einmal auf Deutsch zu studieren?

Das war anstrengend, aber inzwischen geht es. Wenn ich etwas auf Deutsch nicht weiß, sag ich es einfach auf Englisch, die Lehrer verstehen es ja auch so. Außerdem ist das meiste ja eh Latein.

Wie war es für dich, in einen bestehenden Jahrgang hineinzukommen?

Ich hatte sehr viel Glück, weil ich mit 16 Anderen aus dem Ausland neu in den Jahrgang kam. Wir haben uns zusammengefunden. Da wir das Ausland gut kennen, sind wir alle ziemlich weltoffen. Aber auch mit den Leuten, die schon vorher da waren, verstehe ich mich gut.  

Wie kompliziert war der Wechsel nach Deutschland?

Ich kriegte die Zusage und 10 Tage später sollte es losgehen. Das ist zunächst purer Stress: Ich musste mich innerhalb von drei Tagen einschreiben, ganz schnell alle Unterlagen sammeln, in einer fremden Stadt eine Wohnung suchen, mich in der Uni zurechtfinden. Aber es hat ja geklappt.

Würdest du den Umweg über das Ausland hin zu einem Studienplatz in Deutschland empfehlen?

Absolut! Selbst wenn das mit dem Wechsel nicht klappen sollte: Nach 6 Jahren ist man Arzt.

Hast du besondere Tipps für den Quereinstieg?

Wenn Du was nicht weißt: Frag die Leute einfach.

Hinweis: In einer früheren Version wurde geschrieben, dass die Rīga Stradiņš University in Riga keine Bibliothek hätte. Dies ist ein Missverständnis, die Universität hat eine Bibliothek (http://www.rsu.lv/eng/services/library/about).

Hast du eigene Erfahrungen mit dem Wechsel aus dem Ausland nach Deutschland und hast Lust darüber zu berichten? Schreib uns gerne an kontakt@bewerbungsrenner.de

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